Unterm Sternenzelt

  • Beitrags-Autor:

Der Obdachlose Amédée und seine Freunde müssen ihren geliebten Platz unter einer Brücke in Paris räumen, als ihnen das Glück sprichwörtlich in den Schoß fällt. Eine Tante des Landstreichers hat das Zeitliche gesegnet und ihm nun ihr stattliches Häuschen vermacht. Eine Bedingung muss der nun frischgebackene Hausbesitzer jedoch erfüllen: Nikolas, den Sohn der Verblichenen, der mit Trisomie 21, dem Down-Syndrom zur Welt kam soll weiterhin in diesem Haus wohnen und von Amédée versorgt und aufgezogen werden. Als sei das für jemanden, der bislang nur in den Tag hinein lebte nicht schon Herausforderung genug, ist der Junge außerdem auch von dem Gedanken beseelt, in die Fußstapfen seines Idols Juri Gagarin zu schlüpfen und ein richtiger Kosmonaut zu werden…

„Unterm Sternenzelt“ ist ein bemerkenswertes Buch, das bereits mit seiner optischen Präsentation zwischen klassischem, frankobelgischem Funny-Strich und schroffer Independent-Optik erahnen lässt, dass mindestens zwei Herzen unter seinem Deckblatt schlagen. Vor allem ist es aber das exzellente Fingespitzengefühl, mit dem der Plot des abgeschlossenen Sammelbandes zwischen brüllkomischen, gesellschaftskritischen und sehr besinnlichen, melancholischen Tönen hin und her tänzelt.

Obwohl die Dramödie durchaus ihre derben Momente hat, gehen diese nie zu Lasten des ganz besonderen Protagonisten Nikolas, der anders als in Hollywood-Märchen wie Dustin Hoffmans „Rainman“ auch nicht über außerordentliche Fähigkeiten verfügt, um aus ihm einen „nützlichen Behinderten“ zu machen, dessen Wert auch voreingenommene, engstirnige Gemüter gleich erkennen können. Vielmehr zeigt sich, wie aufrichtig, tapfer und schwer in Ordnung der kleine Mann eigentlich ist. Und wie wohltuend er zwischen all den „gesunden“ Charakteren der Handlung, mit all ihren Geheimnissen, Lügen und eigennützigen Plänen eigentlich hervorblitzt.

So bietet „Unterm Sternenzelt“ auf eine ganz ähnliche Art und Weise viel für Herz und Lachmuskeln, wie es auch die ebenfalls bei Splitter erscheinenden „Alten Knacker“ tun. Nämlich mit einem wachen, kritischen Blick auf den arg angeschlagenen Zustand unserer Gesellschaft, aber auch mit einer aufrichtigen Liebe für Menschen jeder Farbe und Form. Unbedingt lesen und Taschentücher bereitlegen!



UNTERM STERNENZELT
Autoren: Ducoudray, Aurélien
Künstler: Anlor
104 Seiten
Hardcover
22,80 Euro
Erschienen bei SPLITTER