Berlin, 1945. Der Fall des Dritten Reiches und somit das Ende des zweiten Weltkrieges scheinen in greifbarer Nähe. In der Realität endete hier eins der grausamsten Kapitel der Geschichte. In Kieron Gillens „Alternate History“-Szenario beginnt es gerade erst. Die in Konzentrationslagern und Laboratorien herangezüchteten „Panzermenschen“ – übermächtige Soldaten mit unglaublich zerstörerischem Potential – sollen das Blatt der Deutschen noch einmal wenden. Allein die erschreckende Schneise der Verwüstung, welche die „Übermenschen“ unter der Führung ihrer „Schlachtschiffe“ mit den Codenamen Siegmund, Siegfried und Sieglinde hinterlassen, reicht, um Heerscharen von Alliierten panisch in die Flucht zu schlagen. Doch der Spionin Stephanie gelingt es, das Geheimnis der Panzermenschen zu entwenden und ihrer Heimat Großbritannien zugänglich zu machen. Ein neues Wettrüsten beginnt…
Es wäre ungerecht, „Über“ auf all die je nach Titel mal mehr oder weniger zutreffenden Vorurteile gegenüber dem ursprünglichen Verlag „Avatar Press“ zu reduzieren. Ja, die Prämisse der Superwesen-Schlacht im zweiten Weltkrieg ist bereits nicht besonders geschmackvoll und die ausufernde, extrem überzogene Brutalität leistet ihr Übriges, um dem Leser einen wirklich differenzierten Zugang zu verhindern. Der Trash-Faktor ist einfach zu hoch. Aber die wirklich gründliche, historische Recherche des Autors, sowie die pfiffige Präsentation des Dreigestirns seiner „Panzermenschen“ zeigen, wie auch seine ambitionierten Begleittexte, dass es Autor Gillen nicht (nur) um plakative Schockeffekte geht. Während Siegfried die geborene, sadistische Kampfmaschine ist, mit außerordentlicher Freude am Töten, versteht sich Siegmund als reines Werkzeug, weist er die Verantwortung für seine Taten weit von sich, um selbst bei Verstand bleiben zu können. Sieglinde ist zu guter Letzt das eine „Schlachtschiff“, dem es nicht gelingt, sich seinem Schicksal zu fügen, das an Grausamkeit und Leid zu zerbrechen droht.
„Über“ ist nicht der faschismusverherrlichende Schmutz, den einige Kritiker aus der umstrittenen Reihe gern machen würden. Um die glaubwürdig vorgetragenen Ambitionen des Autors zu transportieren, steht die grotesk überzogene Gewalt jedoch zu sehr im Vordergrund der Avatar-typisch steril-digital kolorierten Bilder, als dass die intelligent konstruierten Ansätze des „Darth Vader“-Autoren zumindest in diesem ersten Band schon reife Früchte tragen könnten. Mit ihrer wenig glorifizierten, dreckigen Darstellung des zweiten Weltkrieges und ihren samt und sonders verkommenen Charakteren ist die Reihe aber eine willkommene Alternative zum generischen Kriegscomic-Allerlei, die durchaus auch das Potential hat, in zukünftigen Bänden über ihre provokative Inszenierung hinauszuwachsen.
Über (Bd.1): Das letzte Aufgebot
Autor: Kieron Gillen
Künstler: Canaan White
Original-Stories: Über 0-5
180 Seiten
Broschiertes Softcover / Limitiertes Hardcover (222)
19,99€ / 39,99€
Erhältlich bei Panini