„ElfQuest“-Review. Allein der Titel meines Blogs macht klar – in erster Linie stehe ich auf rauhe, harte, kompromisslose Comics mit kantigen Antihelden. Aber ich habe ein dunkles, den Eindruck meiner Männlichkeit bedrohendes Geheimnis. Ich mag auch süße, niedliche, gut gemachte Kunst und Unterhaltung. Disney, Pixar, Super Mario – Das alles hat genau so einen Platz in meinem persönlichen Unterhaltungsprogramm wie abgerissene Gliedmaßen und Rachedramen. Zwei ganz klassische Kindergeschichten liegen mir besonders am Herzen, weil sie viel mit meiner persönlichen Sozialisation als Berufsrebell zu tun haben. „Peter Pan“ von James M. Barrie und „Alice im Wunderland“ von Lewis Carrol. In beiden aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert stammenden, englischen Kinderbüchern geht es um die Ablehnung der erwachsenen, „vernünftigen“ Kultur. Darum Dinge nicht zu tun, „weil man sie eben tut“, gesellschaftlichen Konventionen zu trotzen. Peter und Alice sind die Paradebeispiele für Rebellen in der Kinderliteratur. Eine sehr reizvolle Idee also, diese beiden Welten ihre Wege kreuzen zu lassen. „Tinkerbell im Wunderland“ ist wie eine Fahrt auf der Attraktion eines Vergnügungsparks. Künstler Robi Pena erschafft eine wirklich umwerfend gut aussehende Bilderwelt, in vielen kraftvollen und leuchtenden Farben, die trotzdem immer homogen und stilvoll bleiben und nie nach Kirmesmalerei aussehen. Das war sicher keine leichte Aufgabe. Es ist aber auch eine schnelle, wilde Fahrt. Die 48 Seiten platzen aus allen Nähten vor lauter literarischer Figuren aus „Alice im Wunderland“, „Peter Pan“, „Pinocchio“, „Der Zauberer von Oz“, Shakespeare’s „Ein Sommernachtstraum“ und vielen mehr. Diese Referenzen machen sicher einen großen Reiz für die Leser aus, die sie auch nachvollziehen können. Alle anderen könnten ein wenig überfordert sein mit der Vielzahl an Charakteren, deren Motivationen und Charakterzüge in dem bildschönen, großformatigen, aber eben auch dünnen Band unmöglich ausformuliert werden können. Man merkt deutlich, dass viel Hingabe in Autor Didier Crisses Konzept steckt. So viel Hingabe, dass mehr Raum für seine vielen tollen Ideen „Tinkerbell im Wunderland“ auch inhaltlich in unerreichbare Höhen katapultiert hätte. So bleibt die Handlung eben „nur“ überdurchschnittlich kreativ und interessant, mit sehr hohem Tempo. Der Splitter-Verlag wirbt ganz klar damit, „Comics für Erwachsene“ zu machen. Deshalb ist es eine tolle Sache, dass durch das Sub-Label „Toonfish“ auch Kinder und Familien in den Genuss der haptisch und optisch eindrucksvollen Comicbände des Verlages kommen können. Durch gemeinsames, langsames und ausführliches Lesen und Erklären ist Tinkerbell sicher auch für Kinder ein großer Spaß. Und fast scheint es, als habe Künstler Robi Pena beim Design seiner Feen-Heldin genau darauf geachtet eine Motivation für die vorlesenden Papis zu schaffen. Mit dem asexuellen, niedlichen Wesen aus den Disney-Filmen hat dieses „Glöckchen“ nicht mehr viel zu tun. Gut so! „Tinkerbell im Wunderland“ ist ein visuell überragendes Abenteuer, voller liebevoller, literarischer Anspielungen. Schade nur, dass bislang kein zweiter Band angekündigt ist, denn Tinkerbells Reise ist mit der letzten Seite noch lange nicht am Ende. Ich persönlich hoffe daher völlig eigennützig darauf, dass viele Menschen das bezaubernde Comic-Album auch kaufen. Einfach um dem Kreativ-Team einen Anreiz zu bieten, ihre sichtbar aufwändige Arbeit fortzusetzen.
- ISBN – 978-3-95839-902-0
- Autor – Didier Crisse
- Zeichner – Robi Pena
- Seitenzahl – 48
- Einband – Hardcover
- Erschienen am 01.01.2015