Kann ein gewaltlastiger Noir-Thriller à la „Sin City“ in einem knallbunten, postmodernen Welt funktionieren? DeinAntiheld.de hat die Antwort – In unserem neuen Review „The Last Days of American Crime“ aus dem Splitter-Verlag.
Im Amerika der nahen Zukunft sind die Tage des Verbrechens gezählt. Die Regierung ist im Begriff ein umstrittenes Programm zu starten, dass mit neuralen Wellen alle Bürger daran hindern soll, auch nur das kleinste Verbrechen zu begehen.
Der Berufskriminelle Graham sieht seine letzte Chance ein letztes, großes Ding zu drehen um sich mit seiner kranken Mutter finanziell abzusichern. Leider muss er auf zwei Freelancer zurückgreifen – Aus den eigenen Reihen kann er nicht genug fähige Leute aufbringen um den komplizierten Raubzug durchzuführen. Dass die beiden Neuen ein Paar sind und Hackerin Shelby den mürrischen Graham noch vor dem ersten Treffen sehr rustikal verführt ohne sich dabei zu offenbaren macht die Situation nicht unkomplizierter. Und dann sind da noch die anderen Gangster der Stadt, die großes Interesse an Grahams Plan und noch viel größeres an seiner potentiellen Beute haben. Und die bevorstehende, erzwungene „Arbeitslosigkeit“ in der kriminellen Zunft nimmt allen Beteiligten jede Kompromissbereitschaft. Wie man umgangssprachlich zutreffend formulieren würde – „Die Kacke ist am dampfen“. Sehr.
„The Last Days of American Crime“ aus der Feder des profilierten Autors Rick Remender (der momentan z.B. viele Marvel-Titel schreibt) ist eigentlich eine ganz klassische Noir-Crime Geschichte. Mit einer lasziven „Femme Fatale“, viel sehr harter Gewalt und jeder Menge Drogen und Sex. Yippieh.
Der interessante, künstlerische Ansatz ist, dass die eigentlich sehr traditionelle Erzählung zum einen in der Moderne spielt und nicht wie üblich in den Dreißiger- oder Fünfziger-Jahren. Und dass Künstler Greg Tocchini (Thor – Son of Asgard) das absolute Gegenteil des klassischen Noir-Stils liefert. Solche Stories sehen traditionell sehr kühl und statisch aus, sind schwarz weiß und arbeiten extrem mit Licht und Schatten.
Nicht so bei Tocchini. Der extrem bunte, grelle und wilde Stil des Brasilianers hat deutlich mehr mit expressionistischen Gemälden zu tun, als mit klassischem Comic. Das sieht in statischen Szenen richtig bombastisch aus und gibt dem Band seinen ganz eigenen Reiz. Allerdings geht es in den Action-Sequenzen dadurch manchmal so wild zu, dass es auch mir als sehr Comic-erfahrenem Leser schwerfällt der Handlung komplett zu folgen.
Der größte Spaß an „The Last Days of American Crime“ sind die grotesken Verhörsituationen und die Tarantino-artigen Dialoge, die viel anarchischen Charme versprühen. Überhaupt leistet Remender ganze Arbeit dabei, eine richtig harte und dreckige aber moderne Pulp-Story zu erzählen. Seine Inspiration kann und will dabei niemand leugnen. Hauptcharakter Grahams optische und charakterliche Nähe zum zerstörerischen Sympathieträger Marv aus Frank Millers Meisterwerk „Sin City“ kommentiert Tocchini in einer Szene sogar noch frech mit einem Pflaster-Muster, dass mir sehr bekannt vorkam.
Aber abgesehen von solchen Verbeugung haucht das hübsche, in einen Schutzumschlag eingeschlagene Hardcover dem etwas staubigen Genre viel eigenes neues Leben ein. Der unerwartet komplexe Plot bietet einige überraschende Wendungen und weiß selbst am Ende der 172 kurzweiligen Seiten noch zu überraschen.
„The Last Days of American Crime“ ist Freunden gepflegter, harter Erwachsenenunterhaltung wärmstens zu empfehlen. Wer ein Fan von „Sin City“, „Hard Boiled“, Frank Miller allgemein und zynischen Tarantino-Dialogen ist sollte sich „The Last Days of American Crime“ auf gar keinen Fall entgehen lassen!
- Autor – Rick Remender
- Künstler – Greg Tocchini
- Übersetzer – Bernd Kronsbein
- Einband – Hardcover mit Schutzumschlag
- 172 Seiten
- 22,80€
- ISBN 978-3-86869-332-4
- Erschienen am 01.07.2011
Rezensionsmuster – Hardcover, zur Verfügung gestellt von Splitter – Herzlichen Dank!