Hughie ist der glücklichste Mann auf Erden. Er wollte einfach nur einen sonnigen Tag mit seiner liebsten verbringen, als sie buchstäblich aus seinen Armen gerissen und zerfetzt wird. Ein kollateraler Schaden eines sogenannten „Superhelden“. Solche Dinge geschehen, denn anders als Comic-Bücher und Hollywood-Filme uns glauben machen wollen, sind Superhelden rücksichtslose, brutale, zugekokste Charakterschweine. Aus großer Macht erwächst eben nicht immer große Verantwortung, sondern manchmal bloß große Libido und große Lust an der Zerstörung. Die „Boys“, rund um ihren Anführer Butcher sind eine Sondereinheit der Regierung, die solche Cape-tragenden Zeitbomben regulieren und notfalls auch eliminieren soll, wenn einer von ihnen mal wieder zu weit aus der Reihe tanzt…
Starautor Garth Ennis ist bekannt für seine brutalen, sexuell aufgeladenen und zynisch überdrehten Stories. Neben dem schon lange vor der TV-Adaption zum Kult avancierten Comic-Roadtrip „Preacher“ ist er auch der unbestritten einflussreichste Erzähler, was Marvels One-Man-Army, den chronisch schlecht gelaunten Punisher angeht. Wie auch diese beiden Beispiele sind die Boys pure Ennis-Essenz, die neben jeder Menge ausgesprochen deftigem Blaubohnen-Ballett auch pfiffig-dezent platzierte, manchmal ins verschwörungstheoretische mündende Kritik an machthungrigen, korrupten Politikern, ihren Kettenhunden und all den ahnungslosen Lämmern in ihren unbedeutenden kleinen Jobs übt.
Diese Prämisse ist Fluch und Segen, da sie am tieferen Sinn eher wenig interessierten Lesern die Möglichkeit lässt, sich unbehelligt an den zahllosen Geschmacksübertretungen zu ergötzen und dem belesenen Herren von Welt stichhaltige Argumente liefert, um in seinem Buchclub nicht als gewaltgeiler Prolet aus dem Salon gejagt zu werden. Wer schon einmal über die Filme von Quentin Tarantino diskutiert hat, wird dieses Phänomen bereits kennen. Ennis polarisiert, oder wie die Ärzte (aus Berlin) sagen würden: Die einen finden’s Scheiße, die andren finden’s stark.
Ist man mit seinem Gewissen erst einmal im Reinen und hat sich darauf besonnen, das Kunst nunmal nicht mit einer moralischen Gebrauchsanweisung ausgeliefert werden sollte, dann hält mit dem ersten Band aus Paninis „Gnadenlos-Edition“ die hübscheste und aufwändigste deutsche Ausgabe in den Händen, die es bislang über den charismatischen Super-Schlägertrupp gab. Visuell wird dabei schön dick aufgetragene Indietusche von „Transmetropolitan“-Kultzeichner Darick Robertson geboten, der eine etwas klassischere Kolorierung mit nicht ganz so viel Digi-Airbush schon besser gestanden hätte.
„The Boys“ ist krass, anarchisch und haut ganz feste da hin, wo es richtig schön weh tut. Wer sowas mag, der kommt auf gar keinen Fall am ersten Band der „Gnadenlos-Edition“ vorbei. Davon ab kann man sich dann auch gleich schonmal für die bevorstehende Serien-Adaption vom Produzenten-Gespann Seth Rogen und Evan Goldberg warmlesen. Die waren auch schon für die Umsetzung der „Preacher“-Comics von Garth Ennis verantwortlich. Vielleicht würfeln sie dieses Mal ja etwas weniger durcheinander…
THE BOYS: Gnadenlos-Edition (Bd.1)
Autor: Garth Ennis
Künstler: Darick Robertson
340 Seiten
Hardcover
29,99 Euro
Erschienen bei PANINI