Teufelsmaul

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Ausgrenzung und Hohn treiben den jungen Juri direkt in die Arme einer Spezialeinheit des KGB. Auch hier muss er viel Leid und Spott durch die anderen Rekruten erfahren. Aufgrund seiner Hasenscharte taufen sie den eigentlich schüchternen und einfühlsamen Jungen „Teufelsmaul“. Fernab der Ideologien des Kommunismus lehrt ein versklavter, vermeintlich indoktrinierter Geistlicher ihn zudem insgeheim seine religiösen und spirituellen Werte. Einige Jahre später soll der inzwischen zum Mann gereifte Juri nach einer kosmetischen Operation als Schläfer den verhassten Klassenfeind mitten in New York City infiltrieren. Dank des lieb gewonnenen Alltags seiner neuen Identität beginnt das „Teufelsmaul“ aber einmal mehr die Lehren seiner Jugend in Frage zu stellen…

Das mittlerweile mehr als 25 Jahre alte Werk des etablierten Künstler-Duos Charyn und Boucq (u.A. „Die Frau des Magiers“) ist maßgeblich beeinflusst von klassischen, frankobelgischen Agenten-Comics. In dieser Tradition bieten Genre-Urgesteinen wie „Largo Wynch“ oder das kürzlich von Carlsen als Gesamtausgabe neu aufgelegte „XIII“ augenzwinkernde Klischees und die Ästhetik der Siebziger und Achtziger als äußerst fruchtbaren Boden für jede Menge Verschwörungstheorien und aberwitzige Schusswechsel. „Teufelsmaul“ bedient aber nicht nur die Fantasien ausgehungerter Bond-Fans, sondern seziert auch sehr genau die Strukturen eines totalitären Regimes. Denn Juris Kraft und Entschlossenheit erwachsen aus seinem Geist, aus seiner Anständigkeit, die er sich trotz vieler Jahre systematischer Gehirnwäsche immer bewahren konnte.

Die Frage die sich letzten Endes stellt, ist ob jeder Genre-Freund trotz der treffischeren und nostalgischen Bilder von Künstler Boucq mit diesem ungewöhnlichen Stilbruch glücklich werden kann. Denn hier wird kein gewieftes Superhirn in letzter Sekunde den richtigen Draht kappen, um den Start einer Atomrakete zu verhindern. Juri ist kein Womanizer, der Heerscharen willenloser Luxus-Ladies verführt und fährt auch keine teuren Sportwagen zu Schrott. Er will einfach nicht länger Teil einer Maschinerie sein, die über Leichen geht, nur um ihrem Zweck zu dienen. Diese völlige Abkehr vom Gewohnten macht „Teufelsmaul“ nicht nur zu einer willkommenen Abwechslung für langjährige Lese-Agenten, sondern gestattet auch Testosteron-Allergikern und überzeugten Pazifisten einen intelligenten und sensiblen Einblick in die Welt der gefälschten Papiere und schallgedämpften „Bleipusten“.

Copyright © 2016 by Jerome Charyn & Boucq
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