Es hat schon seinen Grund, dass die Medienproduzenten dieser Welt keine fünf Jahre am Stück von Sir Arthur Conan Doyles weltberühmter Romanfigur „Sherlock Holmes“ lassen können. Auch 130 Jahre nach seinem erstem Auftritt hat der hyperintelligente, extrovertierte Detektiv und Forensiker nichts von seiner Faszination eingebüßt. Eine der erfolgreichsten modernen Fassungen stellt dabei die schlicht „Sherlock“ betitelte BBC-Serie dar. Benedict Cumberbatch, der zuletzt Erfolge als Marvel-Held „Doctor Strange“ feierte verkörpert darin den gleichermaßen brillanten wie sozial unfähigen Ermittler Holmes, während „Hobbit“-Star Martin Freeman die Rolle seines nicht minder ikonischen Assistenten Watson übernimmt.
Zunächst mag es weit hergeholt anmuten, dass eine britische Krimi-Serie in japanischer Comic-Form interpretiert wird, fast schon ein bisschen bizarr. Wer aber tatsächlich mal eine Episode von „Sherlock“ gesehen hat, wird schnell feststellen, wieviel Sinn der Ansatz eigentlich ergibt. Cumberbatchs bereits herrlich überzeichnete Holmes-Darbietung passt genau so perfekt in ein Manga-Szenario, wie die überwiegend bewusst recht klinisch gehaltene Atmosphäre der TV-Vorlage. Mit einem fantastischem Gefühl für die Mimik seiner Charaktere und auffallend detailverliebt war Manga-Künstler Jay dabei für die visuelle Umsetzung der Pilotfolge „Ein von Fall von Pink“ verantwortlich, die kürzlich in deutscher Übersetzung und im übergroßem Format bei Carlsen erschienen ist.
Ob es dabei ein Gewinn oder Verlust ist, dass sich peinlich genau an die Drehbuchvorlage gehalten wurde ist ganz klar eine Sache der Perspektive. Wäre es nicht auch außerordentlich spannend gewesen, wenn ein erfahrener Manga-Autor neue Fälle und Charaktere der erfolgreichen Rezeptur hinzugefügt hätte? Möglicherweise. Andererseits sind die wirklich pfiffigen und rasanten Serien-Skripte aber auch über jeden Zweifel erhaben und konnten bereits ein gewaltiges, internationales Publikum begeistern. Warum sollte man es also riskieren, ein bereits so stimmiges Konzept zu verwässern?
In jedem Fall ist Sherlock ein ausgesprochen hübsches Vergnügen, dass jedoch gegen die häufig mit übernatürlichen und überdrehten Elementen gespickte Manga-Krimi-Konkurrenz fast schon ein wenig blass wirkt. Im Gegenzug eignet sich der Band ganz hervorragend, um Freunden der TV-Serie einen Einblick in die Welt des japanischen Comics zu geben. Oder um die modernen Abenteuer von Sherlock und Watson in der Sonne liegend und ohne technische Hilfsmittel genießen zu können.
SHERLOCK (Bd.1): Ein Fall von Pink
Autoren: Steven Moffat, Mark Gatiss
Künstler: Jay.
212 Seiten
Softcover (Großformat)
12,99€
Erschienen bei Carlsen