Hilflos muss die kleine Sangre mitansehen, wie eine Horde skrupelloser Piraten ihre Familie abschlachtet. Traumatisiert und völlig verschüchtert scheint das Mädchen zunächst eine neue Heimat in einem Elite-Internat zu finden. Doch die verzogenen Töchter der feinen Gesellschaft, lassen sie schon bald spüren, dass sie hier nicht erwünscht ist. Obwohl Sangre über erstaunliches Talent in der magischen Disziplin der Zeitbeherrschung verfügt, findet sich das geschundene, stotternde Mädchen kurz darauf in der Gosse wieder. Auch wenn sie sich nicht an viel erinnern kann, schwört sie mit Hilfe ihrer neu erworbenen Fähigkeiten die Peiniger ihrer Familie zu finden und zu bestrafen.
Ach ja, Rache. Das archaische, rohe Motiv, das restlos jede Geschichte selbst für einen rudimentär empathischen Menschen nachvollziehbar macht und ihn mit den Protagonisten leiden lässt. Der kurzweilige Mix aus französischer Genre-Optik und bitterem Seventies-Rachedrama läutet erneut ein umfangreiches Fantasy-Epos aus dem Hause Soleil ein, dessen Episoden und Charaktere miteinander verbunden sind, jeden Band aber auch alleinstehend abschließen und dem Leser so keine feste Reihenfolge vorgeben. Eine begrüßenswerte Alternative zu sonst häufig langwierigen und umfangreichen Sammelprojekten aus diesem traditionsreichem Areal des Comic-Marktes.
Mit Christophe Arleston, dem Schöpfer der in Deutschland bei Carlsen erscheinenden „Troy“-Saga konnte ein großer Name des europäische Comics für den Serienauftakt gewonnen werden, dessen erzählerische Routine „Sangre“ sichtbar gut tut. Auch, dass er zuvor mit Künstler Floch an den ebenfalls bei Splitter erscheinenden „Schiffbrüchigen von Ythaq“ gearbeitet hat, sorgt für eine stimmige Verzahnung von Text- und Bildebene. Trotzdem hätten es visuell ruhig ein paar Ecken und Kanten mehr sein dürfen, sieht die eigentlich so raue, feindselige und bösartige Welt der kleinen Sangre insgesamt ein wenig zu bunt und fröhlich aus, um Hand in Hand mit der morbiden Geschichte zu funktionieren. Man darf also gespannt sein, wer für die Bebilderung der Folgebände verantwortlich sein wird, die sich je einzelnen Mitgliedern der blurünstigen Piraten-Crew widmen sollen.
Ein straff erzählter und trotzdem erstaunlich komplexer Plot, sowie tolle Landschaftsbilder und Totalen sind die klaren Sternstunden im ersten Band von „Sangre“, der darüber hinaus stimmungsvolle, selten überraschende Unterhaltung für Genre-Freunde liefert.
SANGRE (Bd.1): Sangre, die Überlebende
Autor: Christophe Arleston
Künstler: Floch
56 Seiten
Hardcover-Album
14,80 Euro
ERSCHIENEN BEI SPLITTER