Sollte sich Dylan am Ende tatsächlich alles nur eingebildet haben? War es eine Täuschung seiner Sinne, dass ein Dämon ihm nach einem Selbstmordversuch das Leben geschenkt hat, ihn nun allerdings dazu drängt andere Menschen zu töten, um so seine Schuld zu begleichen? Immerhin gab es „Probleme“ mit der Dosierung seiner Medikamente und wie er nun erfahren muss, hat seine Familie auch eine lange, tragische Vorgeschichte, was psychische Erkrankungen angeht…
Jawohl, so muss das sein. Nach etwas kreativem Anlauf, sozusagen einer erzählerischen Ruhepause die sich im zweiten Band zunächst etwas langwierig der Charakter-Erkundung widmete dreht „Kill or be Killed“ nun den Verstärker bis zum Anschlag auf und schickt seine Leser auf einen nun noch abgedrehteren und abgründigeren Psychotrip voller Gewalt und moralischer Zwickmühlen. Dabei hält Autor Ed Brubaker unbeirrt aus seiner stilsicheren Mischung von Milieu-Krimi und komplexem Psychogramm fest, bringt seine Leser immer wieder in die so unangenehme wie spannende Situation, Dylans gewalttätigen Kreuzzug moralisch zu bewerten, sich selbst darin zu positionieren.
Auch Dylans permanente Verunsicherung über Realität und Halluzination wird herrlich greifbar und bereitet amtliches Unwohlsein. Die zweckmäßig-routinierte Indie-Optik mit reichlich Bekenntnissen zum Film Noir erfüllt durch die Bank ihren Zweck und bleibt auf überdurchschnittlichem Niveau. Ein paar visuelle Ausreißer, ein paar Szenen in denen das ausschlagende Wahnsinns-Barometer sich nicht nur auf die Handlung, sondern auch auf die Präsentation auswirkt hätten es aber ruhig sein dürfen.
In jedem Fall bietet „Kill or be Killed“ anhaltend spannende und intelligente Unterhaltung und beleuchtet das im Comic oft völlig unreflektiert als Stilmittel benutzte Motiv der Selbstjustiz kunstvoll und pfiffig von allen Seiten. Das passiert tatsächlich aber auf eine so zynische und subtile Weise, dass der eigentliche Spaß solcher Rächer-Dramen nicht abhanden kommt. Denn wenn es fiktiv ist, wenn kein echter Mensch dabei zu Schaden kommt, dann kann und darf es durchaus Spaß machen, wenn furchtbare, menschenfeindlich Drecksäcke „bekommen, was sie verdienen“. So wie in „Kill or be Killed“.
KILL OR BE KILLED (Bd.3)
Autor: Ed Brubaker
Künstler: Sean Phillips, Elizabeth Breitweiser
112 Seiten
Hardcover
19,80 Euro
Erschienen bei SPLITTER