Der kleine Morrey hat ein Problem, um das ihn auf den ersten Blick wohl viele Menschen beneiden würden: Alles was er anfasst wird zu Gold. Buchstäblich und mit allen Konsequenzen. Gut dass sein treuer Otter-Freund „Otta“ darauf dressiert ist, ihn bei daraus resultierenden, täglichen Herausforderungen wie dem Anziehen oder dem Gang zum stillen Örtchen zu unterstützen. Doch das bizarre Talent des verwaisten, aber lebensfrohen Fischerjungen hatte bereits deutlich dramatischere Folgen, die er nun gern ungeschehen machen möchte. Gemeinsam mit der cleveren Shelly und Wunderheiler Zaka will er seinen lukrativen Fluch endlich brechen…
Der japanische Begriff „Shōnen“ (wörtlich übersetzt: Junge) fasst jene Manga, also japanische Comics zusammen, die sich durch ihre Struktur und Charaktere insbesondere an Jungs richten. Nicht nur in unserem Kulturkreis wird der Begriff wohl vor allem mit dem wöchentlich in Japan erscheinenden „Shōnen Jump“-Magazin in Verbindung gebracht, in dem legendäre Serien wie „Naruto“, „One Piece“ oder „Dragonball“ einst ihren Siegeszug starteten. Wer dem Charme und dem süchtig machenden Sog einer solchen, turbulenten Serie schon einmal erlegen ist, der weiß bereits, was auch den Reiz an „Goldfisch“ ausmacht. Fantastische Abenteuergeschichten aus der Sicht eines Jungen sind nicht erst seit Harry Potter fester Bestandteil der Literatur und zahlreicher weiterer Kunstformen.
Das Format bietet sich vor allem für langlebige, epische Stoffe an, bei denen die Leser gemeinsam mit ihren Helden und der Geschichte selbst altern und reifen können. Ob der auf drei Bände angelegten Reihe eine so lange Reise bevorsteht, bleibt vorerst zu hoffen. Die herausragende optische und erzählerische Qualität, mit der die gerade erst 25 Jahre junge Nana Yaa aus Neuss ihren Goldfisch vom Haken lässt würde es aber ganz klar verdienen. So geizt die deutsche Produktion zwar nicht mit stimmungsrelevanten Genrekonventionen, Stereotypen oder augenzwinkernden Verbeugungen wie Shellys Parallelen zu Dragonball-Dame Bulma, bietet dabei aber deutlich mehr Originalität und Eigenständigkeit als manche japanische Produktion mit großen, routinierten Künstlerteams. Nicht nur in insgesamt sechs Kapiteln, sondern vor allem im sympathischen Bonusmaterial wird deutlich, wie detailreich die endzeitliche, von außerirdischer Strahlung verseuchte Welt von „Goldfisch“ bereits ausgearbeitet ist, wieviel Überlegung und Liebe zum Detail in den mutierten, postapokalyptischen Kreaturen oder selbst in Morreys Schuhsohlen steckt.
„Goldfisch“ wäre bereits frisch, witzig, unverbraucht und ungeheuer kurzweilig, wenn es aus einem etablierten, japanischen Studio käme. Als Werk einer einzelnen, jungen Künstlerin mit der Unterstützung einer zeichnerischen Assistentin ist das Buch aber eine kleine Sensation und wirkt extrem rund und professionell. Für mehr als faire 4,95€ erhält man nicht nur das herzige Goldjungen-Abenteuer selbst, sondern zusätzlich und manga-untypisch gleich vier wirklich wunderschöne, vollfarbige Pinup-Seiten und zwei kleine Pappaufsteller von Held Morrey und seinem treuen Otta.
GOLDFISCH (Bd.1)
Autorin & Künstlerin: Nana Yaa
192 Seiten
Taschenbuch
4,95€
Erhältlich bei Tokyopop