Die Schiffbrüchige Biologin Ellie Prendick glaubt sich noch glücklich im Unglück, als sie am Strand einer bewohnten Insel angespült wird. Ihre Retter scheinen kultiviert zu sein und sprechen Englisch. Alle paar Monate soll hier sogar ein Schiff vom Festland anlegen. Scheinbar ist sie wirklich nochmal mit dem Schrecken davongekommen. Nach und nach offenbaren sich ihre Gastgeber ebenfalls als Akademiker, kundig in Ellies Fachgebiet, der Biologie. Vom dubiosen Dr. Moreau und seinen Machenschaften hatte sie bereits zuvor gelesen. Aber erst als dieser Ellie im direkten Gespräch von seinem Ethik-Verständnis und seinen grausamen Experimenten berichtet, wird iht klar, dass sie sicher nicht das Glück hierher geführt hat…
Neben „Krieg der Welten“ oder seiner „Zeitmaschine“ ist „Die Insel des Dr. Moreau“ ein weiterer von vielen Science-Fiction-Klassikern aus der Feder des britischen Schriftstellers Herbert George Wells. Seine Werke inspirierten zahlreiche andere Künstler. Filmemacher, Spieleproduzenten und natürlich auch Comic-Schaffende. Bei Splitter ist gar eine sechsbändige Reihe erschienen, die sich ausschließlich Umsetzungen von Wells-Geschichten widmet.
Das Aufregende an dieser nun bei Panini erschienenen US-Adaption des Stoffes sind natürlich die dynamischen Bilder aus der Tuschefeder von „Locke & Key“-Künstler Gabriel Rodriguez. In gewohnt gewaltiger Ausdrucksstärke und mit seinen charmant-dezent deformierten Charakteren beweist er auch ohne zusätzliche Informationen aus den beigefügten Interviews, dass ihm die Umsetzung dieses Stoffes besonders am Herzen lag, dass er viel Liebe in die Visualisierung seiner liebsten Momente investiert hat. An der Liebe hat es sicher auch beim Szenario, bei der textlichen Übersetzung nicht gemangelt, die Rodriguez gemeinsam mit IDW-Mitbegründer Ted Adams selbst in die Hand genommen hat.
Allerdings ist es den beiden nicht gelungen, Moreaus Wahnsinn, das Dilemma der ethischen Entscheidungen, die wichtige Frage danach, wo Menschlichkeit beginnt und endet zu erfassen und mit gebührender Intensität in das Medium Comic zu übertragen. So bleibt am Ende eine visuell absolut großartige, aber gehetzt und gekürzt wirkende Comic-Version des Grusel-Klassikers. Der auf den ersten Blick interessante Austausch des Geschlechts der Hauptfigur wird zudem nur genutzt, um Frau Prendick zur Beute der angespannten Annäherungsversuche von Moreaus Assistenten zu machen. Dann hätte man es auch einfach lassen können, wenn man mehr nicht mit einer nun weiblichen Heldin anzufangen weiß. Schade. Es bleiben tolle und intensive Bilder, die mit mehr Raum und dramaturgischem Feinschliff die Grundlage für eine exzellente Graphic Novel hätten sein können.
H.G. WELLS: Die Insel des Dr. Moreau, Autor: H.G. Wells, Ted Adams, Künstler: Gabriel Rodriguez, 108 Seiten, Hardcover, 25,00 Euro, Erschienen bei PANINI