Man kann es sich leicht machen, in dem man behauptet, L. Frank Baums „Zauberer von Oz“ sei ein Kinderbuch. Tatsächlich ist „Oz“ aber ein Popkultur-Phänomen. Und das seit mehr als einhundert Jahren. Außer vielleicht Lewis Carrols „Alice im Wunderland“ wird wohl keine Erzählung für Kinder ähnlich kultisch verehrt und beinahe im Jahrestakt neu aufbereitet. Die Geschichte um die kleine Dorothy aus Kansas, die von einem Wirbelsturm ins ferne Land von Oz getragen wird existiert in zahllosen Verfilmungen, Musicals, Romanen, Theaterstücken, Merchandiseprodukten und natürlich auch Comicbüchern. Neben humoristischen Erwähnungen wie in Paul Jenkins „Fiction Squad“, oder der… Verlagsüblich sehr „Herrenorientierten“ Interpretation von Zenescope (auf deutsch ebenfalls bei Panini) gibt es auch eine ganz liebevoll traditionelle Comic-Umsetzung des Stoffes.
Statt sich wie die meisten modernen Fassungen auf den Filmklassiker mit Judy Garland zu berufen, hielt sich der Comic-Autor und bekennende Oz-Fanatiker Eric Shanower peinlich genau an die vierzehn Bände starke, ursprüngliche Buchausgabe. Das bedeutet auch, dass die leerreichen Gleichnisse und die märchenhafte Struktur des Originals in der Marvel-Fassung des „Zauberer von Oz“ immer zuerst kommen. Richtig gelesen, in der „Marvel-Fassung“. Auch wenn das Hauptgeschäft des weltbekannten US-Comicverlages natürlich auch weiterhin auf den beliebten Superhelden liegt, wagt man auch im „Haus der Ideen“ gelegentlich Experimente.
Eines der zweifellos geglückten sind die inzwischen sechs Miniserien aus der Welt von Oz, die bei Panini jeweils als reguläre Hardcover- und limitierte Luxus-Sammelbände erschienen sind. Eines der limitierten Exemplare der ersten Bände zu erstehen wird mittlerweile schwierig und sehr teuer. Gut, dass die „Standard-Ausgabe“ bereits recht elegant daherkommt und dabei auch preislich in Ordnung geht. Das ist deshalb wichtig, weil es wohl jedem Kind und junggebliebenem Märchenfreund schwer fallen wird, nicht gleich nach dem ersten Band weiterlesen zu wollen.
Das hat nicht nur mit Shanowers gekonnter und liebevoller Umsetzung des Literatur-Klassikers in die Comic-Welt zu tun, sondern natürlich vor allem mit den fantastischen Illustrationen von Marvels Cartoon-Überflieger Skottie Young. Etwas weniger überdreht und verzehrt, dafür filigraner und noch niedlicher als gewohnt erschafft der gefragte Variant-Cover-Künstler seine ganz eigenen, frischen und bezaubernden Interpretation der Vogelscheuche ohne Hirn, des Blechmanns ohne Herz oder des feigen Löwen. Ganz ohne dabei jemals den Respekt und die Demut vor dem legendären Original zu verlieren. Eine Erstklassige Reihe für jung und alt, die bei Panini die verdiente Zuwendung erfahren hat. Großartig.
- Der Zauberer von Oz Bd.1
- Autor – Eric Shanower (Nach L. Frank Baum)
- Künstler – Skottie Young
- 212 Seiten
- Hardcover
- 24,95 €
- Erhältlich bei Panini