Da ist er endlich; der fünfte und letzte Band der „Conquest“-Saga: Enorus. Auf diesem fernen Planeten will die Flotte der Kanadier ihre Zelte aufschlagen. Oder vielmehr war das bis zur Ankunft der Plan, doch eine Naturkatastrophe hat Enorus zwischenzeitlich völlig unbewohnbar gemacht. Das stellt die Führungsriege der Flotte, allen voran Admiral Murphy natürlich vor ein gewaltiges Dilemma. Der Rückweg zur Erde ist keine Option und ein anderer bewohnbarer Planet ist nicht in Reichweite. Zumindest nicht mit den vorhanden Ressourcen, egal wie eng man den Gürtel schnallt. Schnell ist der Plan gefasst, einen großen Teil der Kolonisten ihrem Schicksal zu überlassen und nur so viele zu retten, wie möglich. Aber vielleicht gibt es doch noch eine andere Lösung.
Für diesen Band holt sich Jean-Luc Istin Unterstützung von Nicolas Jarry, mit dem er sich ja bereits in den vorherigen Bänden der Reihe abgewechselt hat. Enorus haben beide zu verantworten, was dem Band sehr gut tut, er bricht noch deutlicher aus dem gewohnten Szenario aus als der letzte Band (Urania). Handelte es sich um eine Verfilmung, dann könnte man wohl große Teile als Kammerspiel bezeichnen, da der vorliegende Band mit extrem wenigen Schauplätzen an Bord der Flotte und wenigen Charakteren auskommt. Aufgelockert wird das wiederum durch gewaltige Raumschlachten. Eine Menge schöne Kontraste also.
Die Gestaltung kommt ein weiteres Mal aus der Feder von Stéphane Créty, ebenfalls kein Neuling in dieser Reihe. Diesmal gelingt es ihm hervorragend, die bedrohliche tödliche Weite des schwarzen Weltalls mit der durch die engen Quartiere der Raumschiffe hervorgerufenen Klaustrophobie gegenüber zu stellen. Die Beklemmung wächst deutlich mit Fortschreiten der Diskussion um eine mögliche Lösung für das Dilemma der Kanadier.
Womöglich ist „Enorus“ der politischste der bisherigen Bände. In den ersten waren es immer Bedrohungen von außen, die die Kolonisten eher mehr zusammenrücken ließen. Hier ist das Problem die Resourcenknappheit. Die Verantwortung eine Entscheidung treffen zu müssen, die auf der einen Seite möglichst viele Menschen retten soll, bedeutet auf der anderen Seite entscheiden zu müssen wer sterben muss. Ein gerade allzu aktuelles Problem in Zeiten einer weltweiten Pandemie und Krankenhäusern, die nicht genug Betten und Personal für die vielen Patienten bereit stellen können. Auch das Gefühl in den eigenen vier Wänden wie eingesperrt zu sein lässt sich momentan sehr gut nachempfinden.
Wie die anderen Bände der Reihe, aber noch ein klein wenig mehr, lässt sich „Enorus“ gut als eigenständige Geschichte lesen, Vorwissen benötigt man nicht, auch wenn es hier direkte Anspielungen auf die anderen Kolonien gibt. Wer oder was genau die Menschen von der Erde vertrieben hat wird leider noch nicht verraten, es ist allerdings für die zweite Jahreshälfte eine zweite Staffel bei Splitter angekündigt. Der somit sechste von fünf Bänden soll den Titel „Adonai“ tragen.
CONQUEST: Enorus (Bd.5), Autor: Jean-Luc Istin, Nicolas Jarry, Künstler: Stéphane Créty, 72 Seiten, Hardcover, 18,00 Euro, Erschienen im SPLITTER VERLAG