Selbst für Superhelden-Verhältnisse liest sich die Zusammenfassung der bisherigen zwei Carnage-Bände wie ein hysterisches Destilat aller denkbaren Genreklischees. Ein außerirdischer Symbiont, beziehungsweise dessen Sprössling verband sich einst mit dem psychotischem Serienkiller Cletus Cassady zur diabolischen Tötungsmaschine „Carnage“ einem langjährigem Erzfeind von Marvels Spider-Man und dem inzwischen halbwegs zum Guten bekehrten Symbionten-Papa „Venom“. Gejagt von dessen menschlichem WirtEddie Brock, sowie einer abenteuerlichen Söldnertruppe aus Zauberinnen, Werwölfen und Dämonologieexperten erlangt Carnage dämonisch-göttliche Kräfte. Es scheint, als könne ihn nichts mehr aufhalten…
Diese bewusst überspitzt-komprimierte Zusammenfassung zeigt sehr deutlich, dass Cletus Cassidys erste, fortlaufende Soloreihe ganz bewusst auf die Spitze getriebener, hanebüchener Genre-Trash ist. Hat man erst einmal akzeptiert, dass von der nun mit dem dritten Band einen Abschluss findenden Serie kein moderner, pathetischer Kinohelden-Kram zu erwarten ist, kann das auch richtig Spaß machen. Carnages zynisches Mundwerk schafft einen schönen, humoristischen Kontrast zum sichtlich durch Altmeister Lovecraft inspirierten Horrorsetting. Das profitiert übrigens extrem von Zeichner Mike Perkins, der im Bonusmaterial des Sammelbandes von seiner anfänglichen Skepsis dem Projekt gegenüber berichtet, die schnell in freudige Begeisterung umschlug, als das Retro-Horror-Setting des Projekts zur Sprache kam.
Mikes genial-zittrige Mauerwerkschraffuren und das allgegenwärtige, klassische Underground-Feeling heben Carnage visuell weit aus dem Heldenstandard hervor. Allerdings festigt sich auch der bereits nach den ersten zwei Bänden gewonnene Eindruck, dass die sehr dunklen, oft nicht klar abgegrenzten Farben den exzellenten Zeichnungen oft keinen Gefallen tun. Dass dieser Tage eine schwarz-weiße Comic-Veröffentlichung kommerziell keinen Sinn mehr macht ist leider eine traurige Wahrheit. Leicht verschobene, verblichene Retrodruck-Imitation hätte hier aber künstlerisch und ästhetisch insgesamt wesentlich bessere Dienste geleistet.
Inhaltlich wahnsinnig kruder Unsinn, der dafür mit hohem Unterhaltungswert und einigen tollen Bildern aufwarten kann. Kenner freuen sich zudem über witzige Metabotschaften, wie eine Carnage-Immitation des ersten Spider-Man-Covers. Und diese Kenner sind auch die klare Zielgruppe von „Carnage“.
CARNAGE (Bd.3): Alles Böse kommt von unten
Autor: Gerry Conway
Künstler: Mike Perkins
140 Seiten
Broschiertes Softcover
16,99 Euro
Erschienen bei Panini