Unterwasser-Indiana-Jones oder Diplomaten-Krimi? Nach den ersten paar Seiten identifiziert der Leser Kapitän Frank Stern leicht als Hauptfigur dieses Buches, das soll sich aber schnell ändern als Álex Ventura das Steuer übernimmt. Der junge, etwas naive, Diplomat berät das spanische Kultusministerium in Sachen Kulturerbe. So wird aus Kapitän Frank schnell der Bösewicht der Geschichte, der mit seiner Firma Ithaca verlorene Schätze aus den Untiefen der Meere birgt, dabei jedoch recht skrupellos das Prinzip vertritt „Wer es findet darf es behalten“. Um Indiana Jones zu zitieren: „Das gehört in ein Museum“. Diese Ansicht vertritt natürlich auch der spanische Kultusminister, der Álex beauftragt herauszufinden um welches Schiff genau es sich bei der Black Swan handelt.
Den Diplomaten und ihn umgebende Verstrickungen nimmt man Autor Guillermo Corral sehr leicht ab, ist dieser doch selbst im diplomatischen Dienst. „Der Schatz der Black Swan“ ist sein Comic-Debut, erfolgreich war er bereits mit mehreren Kurzgeschichten. Optisch erinnert gerade das Cover leicht an „Das Geheimnis der Einhorn“ aus der Tim-und-Struppi-Reihe, der Eindruck bleibt allerdings oberflächlich. Die „Ligne claire“ von Zeichner Paco Roca ist mit ihren präzisen Konturen und der flächigen Kolorierung dem Zeichenstil von Hergé (Zeichner der Tim-und-Struppi-Reihe, Anm. d. Red.) zwar ähnlich, Verwechslungsgefahr besteht allerdings spätestens auf den zweiten Blick nicht. Mit Graphic Novels wie „Kopf in den Wolken“ oder „Die Heimatlosen“ konnte er bereits Erfolge verzeichnen, 2008 erhielt er für Ersteres vom spanischen Kultusministerium den Nationalen Comic-Preis.
Besonders schön anzusehen ist der alternative Zeichenstil, den Roca in Rückblicken verwendet, die mehr an Aquarellmalereien in Kinderbüchern erinnern.
Álex findet sich schnell nicht nur in einem großen Abenteuer wieder, in dem es um Piraten und versunkene Schätze geht, sondern auch in einem politischen Kräftemessen, das Spanien gegen die, in Amerika beheimatete Firma Ithaca führt. Diese wird nämlich von Senatoren unterstützt, die ihre ganz eigenen Ziele haben. Geht es ihnen am Ende gar nicht in erster Linie um den Schatz, sondern um etwas ganz anderes?
Dem jungen Diplomaten zur Seite steht die attraktive Elsa, die er im Amt zum Schutz des Unterwassererbes kennenlernt. Gemeinsam bemühen sie sich den wahren Namen der „Black Swan“ herauszufinden um sicherzustellen, das Spanien wirklich Anspruch auf den Schatz als kulturelles Erbe hat. Diese Hilfe hat er auch dringend nötig, wenn man bedenkt wieviele Knüppel ihm Anwälte, Agenten und sonstige zwielichtige Gestalten zwischen die Beine werfen.
Eine höchst verworrene Geschichte mit vielen Details und Überraschungen, die sich in Guillermo Corrals eigener Vita gut so oder so ähnlich abgespielt haben könnte. Spanische Medien haben bereits angekündigt, das der „Schatz der Black Swan“ als TV-Miniserie verfilmt werden wird, ob und wann das deutsche Publikum in diesen Genuss kommen wird ist bisher leider unbekannt.
DER SCHATZ DER BLACK SWAN, Autor: Guillermo Corral, Künstler: Paco Roca, 216 Seiten, Hardcover, 24,00 Euro, Erschienen bei REPRODUKT