An wohl kaum jemandem ist der Klassiker „Alien“ oder eines seiner Sequels vorbeigegangen. Auf dem Rückweg von Erz-Schürfung am anderen Ende der Galaxis empfängt die Crew eines riesigen Transportschiffs ein Signal einer fremden Intelligenz auf und investigiert von Neugier getrieben. Schnell ist die Quelle des Signals und ein Raum voller seltsamer großer Eier gefunden, die eine fremde Spezies beherbergen. Leider ist diese Spezies extrem aggressiv und eine der Kreaturen schafft es auf das Schiff. Es beginnt ein Katz- und Maus-Spiel auf dem zwar riesigen, aber zivilem Raumkreuzer. Die Crew ist unbewaffnet und kämpft mit primitiven Mitteln um das nackte Überleben.
Zwar ist die Geschichte an sich nicht neu und spiegelt im Wesentlichen die Ereignisse des Filmklassikers wieder, die Herausforderung lag aber vielmehr darin eben NICHT die endgültige Version wiederzugeben, die ja extrem von den großartigen Designs des verstorbenen schweizer Künstler H.R.Gigers geprägt ist. Das muss man auch erst mal aus dem Kopf kriegen um neu anfangen zu können. Optisch ein absoluter Genuss, Hochachtung an Guilherme Balbi, der ein wirklich tolles, neues – aber in sich stimmiges – Design erschaffen hat. Mehr organisch, fast schon Floral, erinnern gerade die Eier und die kleineren Kreaturen mehr an exotische Pflanzen als an tödliche Kreaturen. Ein Trugschluss.
Auch die angepasste Handlung bringt Christiano Seixas hervorragend schlüssig rüber, ohne zu sehr vom Bekannten abzuweichen, aber auch ohne zu nah dran zu bleiben. Der Untertitel Urfassung bezieht sich auf das erste Skript von Dan O’Bannon, einem der Autoren des Drehbuchs. In dieser Version ist es z.B. nicht festgelegt, welches Geschlecht oder welche Hautfarbe die wenigen Charaktere haben, die Entscheidung einen weiblichen Helden zu kreieren kam später. So konnte auch Seixas einen schön bunten Haufen schaffen, der eben nicht wie noch in den 70ern üblich nur aus weißen Männern besteht sondern aus Männern und Frauen verschiedenster Herkunft.
„Alien – Die Urfassung“ schlägt in eine ähnliche Kerbe wie die 2019 bei Dark Horse erschienene „Originalversion“ von Alien 3, nach dem Skript von William Gibson (bekannt für „Neuromancer“, „Johnny Mnemonic“ und mehr). Allerdings ist die Urfassung von Alien längst nicht so weit vom bekannten Filmgeschehen entfernt, wie es bei Alien 3 der Fall war. Dort wurde das Drehbuch mehrfach von verschiedenen Autoren um- und neugeschrieben bis schließlich die Kinoversion entstand.
Hier liegt der Fokus eher auf dem Design der Kreatur und des fremden Planeten, darüber gibt es nämlich kaum Informationen in O’Bannons Skript. Erst die Mitwirkung von Giger prägte das ikonische Design, das wir heute kennen.
Für eingefleischte Fans wie mich unumgänglich, jede zweite Seite könnte man sich als Poster an die Wand hängen. Dem Gelegenheitsleser sollte für richtige Freudensprünge aber schon das Design am Herzen liegen, nicht die Suche nach einer völlig unerwarteten, neuen Story. Kleiner Spoiler am Ende: Nein, man erfährt auch hier nicht wie der Charakter Lambert (gespielt von Veronica Cartwright) genau stirbt. Das Geheimnis nimmt Regisseur Ridley Scott vermutlich mit ins Grab.
ALIEN: Die Urfassung, Autor: Cristiano Seixas, Künstler: Guilherme Balbi, 112 Seiten, Hardcover, 30,00 Euro, Erschienen bei CROSS CULT