WE3 – „Disney auf Meth“

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WE3 ist ein merkwürdiges Buch. Es hat verhältnismäßig wenig Text. Es zeigt wenig bis keine Mimik. Es ist anstrengend. Aber wer diese Anstrengung auf sich nimmt, wer mit der wortkargen, bedrückenden Erzählweise zurechtkommt, der wird auch belohnt.

WE3 handelt von drei Labortieren. Dem Hund „One“ der Katze „Two“ und dem Kaninchen „Three“. Sie sind Teil eines Waffenprogramms der Regierung, das Tiere mit kybernetischen Körpern ausstattet und zu ferngesteuerten, fremdbestimmten Waffen macht. Nach einer erfolgreichen Attentatmission soll die „WE3“ genannte Einheit deaktiviert werden. Getrieben von einer Mischung aus verletztem Stolz und zu spätem Mitleid ermöglicht Projektleiterin Roseanne den drei Freunden wider Willen die Flucht. Gehetzt vom Militär und weiteren Versuchstieren will Hund One seine Freunde nach Hause führen. 

 

Was „WE3“ besonders macht, ist die Sprache der Tiere. Anders als süße Trickfilme uns Jahrzehnte lang erklärt haben lächeln diese drei nicht. Führen keine Konversation, singen keine Lieder. Sie haben ganz rudimentäre Sprachfähigkeiten, durch ihre technischen Körper. Die Wortfetzen, die Autor Grant Morrison ihnen in den Mund legt, geben die Instinkte wieder, die Tiere in der jeweiligen Situation tatsächlich antreiben könnten. Auch die unterschiedlichen Charaktereigenschaften, des treuen, folgsamen Hundes und der arroganten, egomanen Katze wurden großartig eingefangen.

Auf eine bizarre Art und Weise macht „WE3“ also genau das, was viele niedliche Trickfilme zuvor versucht haben – Es lässt den Leser mit den tierischen Protagonisten mitfühlen. Aber hier werden sie zu diesem Zweck nicht vermenschlicht, sondern der menschliche Leser eben auf die Gefühlsebene der Tiere geführt.

Zeichner Frank Quitely liefert einige große Actionszenen, mit viel fliegenden Funken, spritzendem Blut und Kugelhagel, die der Story noch ein wenig mehr Manga-Charakter geben. Manchmal ist über mehrere Seiten nicht ein Buchstabe zu lesen, stattdessen zwanzig Einzelbilder, die in direkter Abfolge die Aufnahmen einer Sicherheitskamera zeigen. Quitely hat bewusst keine Chance den Tieren Ausdruck zu verleihen. Wir sehen stets realitätsnah gezeichnete Tierköpfe in bulligen Mechanzügen, die ihre Persönlichkeit aus ganz wenigen Worten beziehen.

„WE3“ ist Kunst. Wer darauf Bock hat, der bekommt hier für sein Geld einen wilden Trip. Grant Morrison ist insbesondere in Verbindung mit Zeichner Frank Quitely bekannt für psychedelische Sequenzen und Geschichten. Zu meiner persönlichen Freude wird „WE3“ trotzdem zu keinem Zeitpunkt wirr oder esoterisch. Das mag auch an der knapp bemessenen, aber absolut ausreichenden Seitenzahl liegen.

Ich mag Tiere. Ich mag Geschichten die mir etwas geben, dass mir andere Geschichten noch nie gegeben haben. Ich mag „WE3“.

 

„WE3“ ist als deutsches Paperback bei Panini Comics erschienen, momentan aber leider vergriffen. Im gut sortierten Comic-Fachhandel oder Online-Auktionshäusern lässt sich aber sicher eine Ausgabe finden. Die englische, im Vertigo-Verlag erschienen Ausgabe ist aber problemlos bestellbar.

Rezensionsmuster – Privatarchiv (Panini Comics,Paperback)