Petit

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In einem fernen Königreich, da lebte vor langer Zeit eine riesige Königsfamilie. Da sie selbst Kinder der Menschen waren, lebten die Giganten zunächst in Frieden und Harmonie mit ihren winzigen Urvätern. Doch schon bald merkten einige Riesen, dass sie durch ihren körperlichen Vorteil Macht über die Menschen besaßen und beschlossen nun, sich nur noch mit Ihresgleichen zu paaren, um das edle Geschlecht nicht mit minderwertigem Blut zu verunreinigen. Das führte dazu, dass fortan die Nachkommenschaft der Königsfamilie mit schwindender Intelligenz und Körpergröße zu kämpfen hatte. Die ethischen Werte der riesigen Herrscher verschwanden mit ihrer Geistesschärfe und schon bald versklavten, züchteten und fraßen sie die Menschen.

Als die ohnehin schon nicht besonders riesige Königin Emione, verborgen vor den Augen ihres Gatten, einen winzigen, bloß menschengroßen Jungen namens „Petit“ gebärt, glaubt sie in ihm den Retter ihrer Dynastie gefunden zu haben. Denn ähnlich wie Petit war der Gründervater der Familie lediglich von überdurchschnittlicher, menschlicher Größe und zeugte seinen riesigen Sohn mit einer menschlichen Frau. Nun soll der Junge verborgen vor seiner menschenfressenden Familie unter der Obhut seiner friedlichen Tante Desdeah zu einem Mann heranwachsen – Um mit Menschenfrauen neue Riesen mit frischem Blut zu zeugen.

„Petit“ ist eine wirklich intensiv erzählte Geschichte voller reizvoller Wiedersprüche. Bertrand Gatignols kerzengerader Strich und seine flächigen, übergangslosen Grautöne und Schattierungen wecken ohne dabei Eigenständigkeit einzubüßen gestalterische Assoziationen mit Disney-Filmen oder den Animé Klassikern des Studio Ghibli. Aber spätestens wenn Emiones strahlendes Prinzessinnen-Gesicht genüsslich den ersten Menschen verspeist wird klar, dass „Petit“ ganz sicher nicht in Kinderhände gehört.

Immer wieder lässt Autor Hubert warme, strahlende Märchenmotive mit verstörender Brutalität und inzestiöser Maßlosigkeit kollidieren und hinterlässt damit den Leser in einem permanenten, packenden Wechselbad aus Träumerei und Schock. Auch wenn Gewalt und Exzess die Handlung dominieren, steht dabei Petits bedingungslose, aufrichtige Liebe zur schönen Menschenfrau Sala ganz klar im Mittelpunkt. Illustrierte Text-Beiträge aus Königin Emiones fiktivem „Buch der Ahnen“ füllen die bereits für weitere Erzählungen präparierte Welt der Riesen mit wahnsinnig viel Atmosphäre und Glaubwürdigkeit.

Das elegante, gebundene Buch mit geprägtem Titel und schickem Lesezeichen-Bändchen ist ein „riesiger“ Glücksgriff und bietet jedem Leser mit starken Nerven und einem Faible für das Besondere eine erstklassige Erzählung, die Disneys Märchenfilme mit ihrer emotionalen Intensität weit hinter sich lässt und in ihrer Schonungslosigkeit „Game of Thrones“ wie eine zahme Vorabend-Soap erscheinen lässt.

  • Autor – Hubert
  • Künstler – Bertrand Gatignol
  • 176 Seiten
  • Hardcover
  • 29,00€
  • Erhältlich bei Reprodukt

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