LINCOLN (Bd. 2): Der in den Wind spricht

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Lincoln ist nicht der handelsübliche, grantige Westernheld mit dem sanften Kern, wie die schroffe Funny-Optik es den erfahrenen Comicleser vermuten lassen könnte. Der schlacksige, chronisch schlecht gelaunte Kerl ist einfach nur ein verdammt mieser Penner, der ziemlich unverhofft durch Gottes persönliche Hilfe unsterblich geworden ist. Statt nun wie vom Allmächtigen gewünscht diese unglaubliche Macht für das Gute einzusetzen macht Lincoln seine Fähigkeiten lieber zu Geld, das er schnell wieder in Suff und Sex re-investiert. Eigentlich glaubt der Teufel ja leichtes Spiel mit der pechschwarzen Seele des fragwürdigen Titelhelden zu haben. Aber als Lincoln mitbekommt, wie eine Indianer-Familie von skrupellosen Siedlern betrogen und misshandelt wird, geht ihm das deutlich mehr auf die Nerven als man vielleicht gedacht hätte…

Nur keine Sorge. Der miesepetrige Wildwest-Nihilist wird selbstredend nicht zum handzahmen Kuschel-Cowboy. Aber Lincoln scheint tatsächlich, wenn auch gründlich versteckt über so etwas wie Prinzipien zu verfügen. Zu beobachten, wie das bekennende Charakterschwein gleichzeitig die geprellten Ureinwohner rächen, aber auch unbedingt sein Gesicht als gleichgültiger Misanthrop bewahren möchte, ist urkomisch und dabei glücklicherweise völlig frei von abgedroschenen Bad-Guy-Turns-Good-Hollywoodklischees.

Gestalterisch präsentiert sich die Alben-Reihe unverändert als Mix aus klassischen, europäischen Funny-Elementen und insbesondere was die homogene Farbgebung und den reduzierten aber akkuraten Strich angeht auch aus Techniken, die man eher in einer modernen Graphic Novel vermuten würde. Das wird auf manche Leser sicher etwas schmucklos wirken, passt in seiner Originalität aber schön zum angenehm kruden und unkonventionellen Inhalt.

Was Lincolns tatsächliche Motive sind und ob es Gott oder dem Leibhaftigen tatsächlich gelingen wird, den sturen Bastard auf ihre Seite zu ziehen, das werden zukünftige Bände zeigen müssen. Wem die eigentümliche Stimmung der Ausnahmeserie schon im ersten Band gefiel, wird sicher auch weiterhin seinen Spaß damit haben. Das manchmal gerügte, sehr gemächliche Erzähltempo scheint aber genau wie der bittere Humor in Stein gemeißelt zu sein.


Leseprobe


LINCOLN (Bd. 2): Der in den Wind spricht
Autor: Olivier Jouvray
Künstler: Anne-Claire Jouvray, Jérôme Jouvray
48 Seiten
Hardcover
14,95 Euro
Erschienen bei SCHREIBER & LESER


Mattes im ComicTalk mit Hella von Sinnen, Naomi Fearn und Torsten Sträter über „Lincoln“