BETTY BOOB

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Elisabeth hat Brustkrebs. Medizinisch hat sie nach der Amputation ihrer linken Brust keinerlei Probleme mehr, auch psychisch trägt die hübsche junge Frau nach dem ersten Schock ihr Schicksal mit Fassung. Echte Probleme bereitet ihr nach dem Eingriff eigentlich nur ihr Umfeld. Etwa ihr dauerjammernder Liebhaber, dem der Verlust ihres halben Busens offenbar mehr zu schaffen macht als Elisabeth selbst. Oder ihre drakonische Chefin im Modemarkt, die sich so gar nicht mit dem für ihre Begriffe nun weniger perfekten Erscheinungsbild ihrer Mitarbeiterin anfreunden will. Nachdem so das soziale Umfeld der tragischen Heldin binnen kürzester Zeit zerbricht, findet sie durch einen Zufall ein neues Zuhause im Ensemble einer Burlesque-Show, wo ihre optische Abweichung nun eine Attraktion statt eines Makels ist…

„Betty Boop“ gelingt ein Kunststück, von dem deutsche Graphic Novels noch meilenweit entfernt sind. Es erzählt eine eigentlich unglaublich tragische und schwere Geschichte auf eine so leichte, beschwingte und sympathische Art, dass man als Leser ganz mühelos die echten Schatten erkennen kann, die auf Bettys Leben liegen: Das Unverständnis und die Intoleranz ihrer Mitmenschen. Bei ihrer Wiedergeburt als Bühnenfigur überträgt sich eine unglaubliche, optimistische Lebensfreude auf den Leser.

Auch die anderen Künstler des Burlesque-Theaters, allen voran Bettys unglaublich niedlicher Verehrer mit dem winzigen Gemächt sind wundervoll ausgearbeitet und erwecken die eigentlich in gedeckten Farben gehaltenen Comic-Seiten nachhaltig mit Leben- So nachhaltig, dass man sich machmal erst bewusst machen muss, dass man es hier mit keinem Trickfilm. sondern statischen Seiten zu tun hat. Aber „Betty Boop“ ist nicht ganz frei von Makeln. Auch wenn die musikalische Chanson-Begleitung, die sich mit einem Smartphone per QR-Code abrufen lässt eine tolle Sache ist, wirken die Liedtexte oft holprig integriert und brechen unnötig mit der vorher so mühsam und wundervoll errichteten Stummfilm-Ästhetik und dem drolligen Slapstick-Humor. Da hätte etwas mehr Konsequenz Wunder wirken können. Von diesem Versäumnis abgesehen ist „Betty Boop“ ein wahnsinnig charmantes, herzerwärmendes Comic-Vergnügen, dem jede Bitterkeit und Tragik völlig abgeht. Encore!


Leseprobe


Betty Boob
Autor: Véro Cazot
Künstler: Julie Rocheleau
184 Seiten
Hardcover
24,80 Euro
Erschienen bei SPLITTER