Eigentlich wollte Shadow gleich nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis seine geliebte Laura wieder in die Arme schließen. Ein neues, unbeschwertes Leben mit ihr beginnen und alle Verfehlungen, die hinter dem jungen Paar liegen vergessen. Doch kurz bevor es endlich so weit sein soll kommt seine Ehefrau bei einem tragischem Autounfall ums Leben. Während sie seinen besten Freund, den Fahrer des Unfallautos oral befriedigte. Als sei dies noch nicht Beweis genug für den Zynismus der Götter, begegnet Shadow auf seinem Heimflug der mysteriöse, einäugige „Mister Wednesday“, der ihn regelrecht dazu drängt, fortan als sein Laufbursche und Leibwächter zu arbeiten. Ehe er sich versieht, findet sich Shadow in einer wahrhaft magischen und erstaunlichen Parallelgesellschaft wieder, die ihm eindrucksvoll beweist, wieviele Sagen und Mythen tatsächlich der Wahrheit entsprechen…
Nach dem weltweiten Überraschungserfolg, den die TV-Umsetzung des Fantasy-Romans aus dem Jahre 2001 jüngst verbuchen konnte, erscheint nun bei Splitter auch die Comic-Adaption von „American Gods“ in deutscher Übersetzung. Das funktioniert erwartungsgemäß hervorragend, da Star-Autor Neil Gaiman mit seinem „Sandman“ auch für einen der wichtigsten, modernen Fantasy-Comics gesorgt hat und die langjährige, bis heute andauernde Arbeit in diesem Medium ihre Spuren auf seiner Erzählweise hinterlassen hat. Egal ob in „Sandman“, seinem düsterem Märchen „Coraline“ oder nun im sehr erwachsenen, brutalen und auch sexuell explizitem „American Gods“ versteht es kein zweiter so gut wie Gaiman, Phantastik elegant, poetisch und mit wahnsinnig viel Klasse zu erzählen. Flache Genre-Standards und Helden-Pathos sucht man inmitten der pfiffigen Analogien des Briten vergebens.
Ein wenig lässt sich das Comic-Freunden, die tatsächlich noch nicht mit Gaimans Werk vertraut sind vielleicht mit Mignolas „Hellboy“ vergleichen, der ebenfalls durch folkloristische Motive eine epische Geschichte erzählt, dabei im Gegensatz zu Gaiman aber immer eine augenzwinkernde Verbindung zu seinen Pulp-Wurzeln behält. Da trifft es sich gut, dass die zunächst etwas gewöhnungsbedürftige, aber dann doch schnell sehr atmosphärische Optik des ersten Bandes durch kantige, aber elegante Reduktion ebenfalls entfernt an Mignolas gotisch wirkende Werke erinnert. Auch wenn „American Gods“ insgesamt deutlich freundlicher, weicher und bunter inszeniert ist.
Zur Freude aller Fans der Romanvorlage orientiert sich die Comic-Portierung des urbanen Märchens eng daran, was überraschender Weise eine visuell deutlich zurückhaltendere Version bedeutet, als auf dem Fernsehbildschirm. Das lässt viel Spielraum für einen wichtigen, erzählerischen Kniff des Romans, der die Grenzen zwischen Mythos und Realität immer wieder verwischen lässt und verhältnismäßig lang offen hält, wie magisch die einzelnen Protagonisten nun tatsächlich sind. Der recht textlastige Comicband verlässt sich dabei auf innere Monologe und ergänzende Beschreibungen, die atmosphärisch wichtige Details über die Szenerie beisteuern.
Mehr Buch als Film macht der erste Band von „American Gods“ extrem neugierig auf seine Fortsetzung und liefert einen großartigen dritten Weg, eine der größten Gaiman-Geschichten aller Zeiten zu erleben.
AMERICAN GODS (Bd.1): Schatten Buch 1/2
Autoren: Neil Gaiman, P. Craig Russel
Künstler: Scott Hampton
144 Seiten
Hardcover
19,80 Euro
Erschienen bei SPLITTER