Unter der Obhut der Kirche wächst der „Bucklige von Notre Dame“ im Glockenturm der berühmten Kathedrale auf, verborgen vor den angewiderten und hasserfüllten Blicken der Bürger von Paris. Das Fest der Narren, das ausgelassene Treiben und Feiern des Volkes lockt Quasimodo an das Licht der Öffentlichkeit, wo er zunächst für das abscheulichste Gesicht prämiert wird. Doch gleich darauf wird an ihm öffentlich vom grausamen und verbitterten Erzdiakon Claude Frollo ein Exempel statuiert, vor dem ihm die charismatische Feuertänzerin Esmeralda rettet. Auch den eitlen Dramaturgen Pierre Gringoire kann die Schönheit mit dem großen Herzen vor ernsterem Übel bewahren, ahnt jedoch noch nicht, in welch großer Gefahr sie sich selbst befindet…
Victor Hugos Literatur-Klassiker um den grausam entstellten Glöckner Quasimodo und die anmutige Zigeuner-Prinzessin (man verzeihe den politisch unkorrekten Ausdruck unter Berücksichtigung des historischen Kontexts) hat unzählige Kunstwerke und Erzählungen beeinflusst. Nach dem Hollywood-Klassiker mit Gina Lollobrigida und Anthony Quinn ist die umstrittene, deutlich weniger düstere Adaption als Disney-Trickfilm wohl die prominenteste Adaption des Stoffes. An letzterem war übrigens auch Comic-Künstler Cyril Pedrosa in seiner aktiven Zeit beim Trickfilm beteiligt.
Die recht junge, französische Comic-Interpretation des „Glöckners von Notre Dame“ hält sich dabei ausgesprochen eng an die Urfassung, was sich vor allem in der Schilderung durch die Augen von Gringoire niederschlägt, sowie im permanenten Wechsel zwischen dramatischem Pathos und beschwingt-satirischen Episoden. Diese zeitlose Vielfalt empfindet Künstler Jean Bastide durch großartige Stilkombinationen nach. Seine klassischen, frankobelgischen Funny-Zeichnungen wachsen durch ihre extrem aufwändige Wasserfarben-Koloration weit über sich hinaus und haben auch keine Angst vor spärlich gesäten, dabei aber deutlich wahrnehmbaren, modernen Einflüssen. Wie die beinahe schon manga-hafte Inszenierung der Esemeralda. Auch die großartige Sequenz des außer kontrolle geratenen Quasimode, mit ihren Reminiszenzen an amerikanische Horror-Comics trägt zum vielfältigen, aber immer konsistenten Gesamtbild der beiden Bände bei.
Nur so kann die Adaption solch ikonischer Stoffe funktionieren: Mit großer Ehrfurcht vor dem Basismaterial, ohne dabei zu ignorieren, wie eine zeitgemäße, unterhaltsame Inszenierung auszusehen hat. Hier dürfen auch ruhig einmal Comic-Skeptiker mit einem Faible für Hugos große Geschichte einen Blick riskieren.
DER GLÖCKNER VON NOTRE DAME Bd.1+2
Autor: Robin Recht (nach Victor Hugo)
Künstler: Jean Bastide
48-64 Seiten
Hardcover-Album
14,80€ je
ERHÄLTLICH BEI SPLITTER