Eddie Brock und sein außerirdischer Symbiont befinden sich in ihrer bislang vielleicht größten Krise. Auch wenn sie New York vor dem sicheren Untergang durch ein mächtiges, mythologisches Wesen bewahren konnten, sind ihre Freundschaft, ihr Vertrauen und ihre Symbiose tief erschüttert. Offenbar können sich beide nicht mehr richtig an wichtige Dinge aus ihrer Vergangenheit erinnern, die wichtige Gewissheit über die Gegenwart geben könnten…
Kein Wunder, dass Donny Cates vom Haus der Ideen gerade nur so mit prestigeträchtigen Aufträgen wie neuen Hauptserien für „Thor“, „Thanos“ oder den „Silver Surfer“ überschüttet wird. Es ist bemerkenswert, wie der erst 35 Jahre alte Autor mit viel Leidenschaft und großem Respekt vor dem ursprünglichen Material lieb gewonnenen Figuren neue Aspekte hinzufügt oder besser einem Archäologen gleich zu Tage fördert. Die neuen Erkenntnisse über das Leben von Eddie oder über die Geschichte der glibberigen Symbiose-Monster fühlen sich nicht wie „Neu dazu erfundener Scheiß“ an, sondern wie sinnvolle Ergänzungen, die jahrzehntelang bewusst vor den Lesern geheim gehalten wurden. Genau so muss eine Frischzellenkur aussehen.
Ohne sich groß dafür zu interessieren, was zeitgleich im Kino mit Venom passiert erzählt Cates ein bewegendes, menschliches Drama und baut gleichzeitig mit faszinierender Leichtigkeit die Mythologie seiner Figuren aus. Dass Hauptzeichner Ryan Stegman, dessen düsterer Spätneunziger-Stil den ersten Band schon so toll ergänzte zwischenzeitlich von Joshua Cassara abgelöst wird fällt kaum und nie unangenehm auf, ohne das Cassara der Bildsprache viel neues hinzufügen würde. Wozu auch.
Eine bemerkenswert großartige Neuinterpretation eines klassischen Marvel-Antihelden und der verdiente Aufstieg eines großen neuen Autoren.
VENOM (2019) (Bd.2): Der Abgrund, Autor: Donny Cates, Künstler: Ryan Stegman, Künstler: Joshua Cassara, 148 Seiten, Softcover, 16,99 Euro, Erschienen bei PANINI